Heavybird Gründer Evan Glenn Adams
"Instrumente sind wie Familienmitglieder"
Kennt Ihr Heavybird? Hinter dem Namen steckt Evan Glenn Adams. Er ist das Bilderbuchbeispiel eines Multiinstrumentalisten. Der kreative Musiker aus Woodstock, New York beherscht zahlreiche Instrumente – auf virtuose Art und Weise. Außerdem arbeitet er als Toningenieur und ist in die verschiedensten Musik-Projekte involviert.
Heavybird ist Evans aktuellstes Solo-Projekt. Im Moment steckt er sein Herzblut in das zweite Heavybird Album, das er im Frühjahr 2021 releasen möchte. Ich hatte die große Ehre, die Songs, die auf die Platte kommen, schon zu hören und habe mich anschließend mit dem Künstler zum Interview verabredet.
Anne: Hallo Evan! Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst! Wie geht es Dir im Moment?
Evan: Hallo Anne! Danke, für Deine Zeit! Ich bin sehr glücklich im Moment. Gemessen an dem, was gerade überall passiert, geht es mir wirklich gut. Durch die Pandemie bin sich seit April ohne Job, aber ich habe ein Dach über dem Kopf und einen Ort, an dem ich meine Instrumente spielen und Musik aufnehmen kann. Ich bin also jeden Tag super dankbar dafür.
"Die Songs sind ein Teil von mir"
Anne: Du planst, im nächsten Frühjahr ein neues Album mit Deinem Projekt Heavybird zu veröffentlichen. Ich fühle mich sehr geehrt, weil ich eine der ersten war, die die Songs für diese Platte hören durfte. Die Aufnahmen planst Du ja erst im November zu finalisieren. Obwohl sie noch nicht ganz fertig sind, liebe ich sie und kann es gar nicht mehr erwarten, dass das Album veröffentlicht wird. Das ist ziemlich spannend! Vielen Dank, dass Du mir diese wertvollen Einblicke gegeben hast! Das bedeutet mir wirklich sehr viel. Abgesehen vom finalen Mixing: Was muss vor der Veröffentlichung noch gemacht werden?
Evan: Danke für Deine lieben Worte! Ich habe einen großen Teil von mir in diese Songs gesteckt. Und eine Menge Liebe und Aufmerksamkeit. Ich bin noch nie zuvor so tief in ein Album eingetaucht. Ich bin wirklich sehr gespannt darauf, es irgendwann enthüllen zu können. Hauptsächlich muss ich mich tatsächlich noch mit dem Mixing beschäftigen. Außerdem werde ich vermutlich noch ein paar kleinere Parts neu aufnehmen und austauschen.
Einer der Hauptgründe dafür, dass ich mich um alles selbst kümmere ist, dass ich auf diese Weise extrem flexibel bin. Ich hatte zum Beispiel einen Track, von dem ich dachte, dass er mehr Energie nötig hat. Also habe ich, nachdem ich den Song schon zur Hälfte abgeschmischt hatte, kurzerhand noch einen Shaker aufgenommen. Wenn jemand anders das Mixing für das Album für mich übernommen hätte, wäre mir das Problem vielleicht gar nicht aufgefallen. Vermutlich wäre es dann schon zu spät gewesen, noch etwas zu ändern.
Anne: Hast Du schon einen Namen für Dein zweites Album?
Evan: Den habe ich: "Pine Trees & The Faint Sound Of Buzzing".
Natürliche Elemente
Anne: "Kiefernwälder und das leise Summen" das klingt wirklich wundervoll! Eine sehr gute Wahl. Irgendwie mysteriös und beruhigend auf einmal. Möchtest Du mir von seiner Bedeutung erzählen?
Evan: Danke! Es freut mich, dass der Name diese Gefühle in Dir auslöst. Ich wollte etwas, von dem das Album reflektiert wird. "Mysteriös" und "beruhigend" sind definitiv Elemente davon. Als spiritueller Mensch und Umweltschützer wollte ich diesem Album Elemente von Erd-Verbundenheit mitgeben. Das Artwork und der Titel sind für mich sehr wichtige Bestandteile.
Das Bild auf dem Cover zeigt einen Sequoia Tree. Ich erinnere mich an das Gefühl, das ich hatte, als ich den Sequoia Nationalpark besucht habe. Ich stand unter diesen uralten Giganten und kein Lüftchen rührte sich. Der starke Duft der Koniferen beeindruckte mich. Das einzige Geräusch, das ich hören konnte, war eine Biene, die in einiger Entfernung vorbeiflog. Genau dieses Gefühl wollte ich vermitteln, darum habe ich mich für diesen Titel entschieden. Ich habe außerdem jede Menge Erd-Töne für das Album verwendet. Die Lyrics bringen meine tiefe Bestürzung über unsere aktuelle ökologische Krise und gleichzeitig aber auch meine Hoffnung und Liebe zum Ausdruck. Den Einklang mit der Natur.
Anne: Wow, das hört sich sehr emphatisch an. Danke für Deine ausführliche Antwort! Weißt Du auch schon das genau Datum für die Veröffentlichung?
"Pine Trees & The Faint Sound Of Buzzing" kommt im Frühjahr
Evan: Ich würde die Veröffentlichung gerne auf den 1. Mai legen. Ich habe mir das Datum ausgesucht, weil ich dann Zeit habe, das Album zu promoteten und im Vorfeld eine Kickstarter Kampagne zu planen.
Anne: Als Musiker, Toningenieur und Komponist verbringst Du einen großen Teil Deiner Zeit mit Musik. War das schon immer Dein Traum? Wie lange machst Du schon Musik?
Evan: Es war auf jeden Fall mein Traum, obwohl ich ein paar Anläufe gebraucht habe. Ich habe angefangen Schlagzeug zu spielen, als ich noch sehr jung war und ich habe es schon immer geliebt. Damals wusste ich schon dass sich mein Leben um Musik drehen musste. Aus diesem Grund fing ich an, sie zu studieren. Das wurde mir irgendwann zu viel und ich fragte mich nach dem Warum. Ich hatte zu dieser Zeit verschiedene andere Instrumente gelernt und beschäftigte mich mit Tontechnik. Ich hatte schon in einigen Bands gespielt, aber ich hatte meinen Weg noch immer nicht gefunden.
Das ging so weit, dass ich 2012 mein Schlagzeug verkaufte und für drei Jahre kaum ein Instrument anrührte. Ich hatte entschieden, dass ich damit fertig war, ein Musiker zu sein und wollte Schriftsteller werden. 2015 habe ich dann Heavybird gestartet und zuerst gedacht, dass ich ein einzelnes Album mit Akustik-Gitarre und elektronischen Drums aufnehmen würde. Es stellte sich aber heraus, dass es größer werden würde. Das lag zum Teil an meiner Liebe für den Prozess und zum Teil an der großartigen Unterstützung durch meine Freund⋆innen. Sie haben mir (das tun sie immer noch) Instrumente, Equipment und ihre Zeit geliehen und geschenkt.
Anne: Als Multi-Instrumentalist spielst Du zahlreiche Instrumente wie Gitarre, Schlagzeug (das Du 20 Jahre lang studiert hast), Percussion und Keyboard. Welches Instrument magst Du am liebsten? Kannst Du das sagen?
"Ich bin besessen von Gitarrenpedalen"
Evan: Oh, das ist wirklich eine schwierige Frage. Am sichersten fühle ich mich hinter dem Schlagzeug. Die Gitarre kommt auf Platz zwei. Ich habe das Gefühl, dass die Instrumente Familienmitglieder sind. Ich liebe sie alle trotz ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten. Weil ich die Songs zum größten Teil vom Anfang bis zum Ende komplett alleine produziere, habe ich immer das Gesamtbild im Blick. Also denke ich schon über das Mixing nach, wenn ich die Instrumentation plane. Ich überlege oft, welches Zusammenspiel die Instrumente in der finalen Produktion ergeben. Eigentlich mag ich Klang am liebsten. Darum bin ich auch so besessen von Gitarrenpedalen.
Anne: Du warst in den letzten Jahren mit vielen Bands auf Tour. Ich stelle mir das sehr lehrreich vor. War es das? Was konntest Du daraus ziehen?
Evan: Es ist permanent eine lehrreiche Erfahrung. Was Du tust, was Du nicht tust, was funktioniert und was nicht funktioniert. Aber neben dem Versuch, zu lernen, ein erfolgreicher Musiker zu sein, habe ich eine Menge über Menschen und über mich selbst gelernt.
Anne: Nach so vielen Jahren auf Tour: Würdest Du sagen, dass Du das Tourleben lieber magst oder arbeitest Du lieber im Studio?
"Das Studio ist magisch"
Evan: Oh, ich bin so eine Studio-Ratte. Am besten fände ich es, nur eine Woche im Jahr auf Tour zu gehen und den Rest der Zeit im Studio zu verbringen. Ich finde es regelrecht magisch, im Studio zu sein. Egal, ob es mein eigenes Studio für Heavybird ist oder ein anderes Studio für ein anderes Projekt. Ich liebe es, aufzunehmen und mit Räumen und Techniken zu arbeiten. Das Touren hat auf jeden Fall seine Vorzüge, aber ich habe zu lange in einem Van gelebt, um es noch magisch zu finden. Ich sehne mich inzwischen danach, eine Routine zu haben und in einem Bett zu schlafen.
Anne: Du arbeitest jetzt an Deinen persönlichen Projekten wie Heavybird, das Du 2015 gegründet hast. Was hat sich seitdem verändert? Neben den Veröffentlichungen von drei tollen EPs und einem fantastischen Album?
"Ich habe mich bei Heavybird auf das Recording fokussiert"
Evan: 2015 war für mich ein echter Wendepunkt. Seitdem ist so viel passiert. Ich bin wieder zur Musik zurückgekehrt, ich habe meinen Seelenverwandten getroffen und geheiratet und ich habe ein paar Vollzeitjobs gehabt, die nichts mit Musik zu tun hatten. Für Heavybird habe ich mich am meisten auf das Recording fokussiert. Die wenigen Shows, die ich gespielt habe, waren alle ziemlich abwechslungsreich und wild in ihrem Sound. Im letzten Jahr habe ich drei Ambient-Veröffentlichungen unter dem Namen "Soft Static" gehabt, die Drums für meinen lieben Freund Luis Mojica eingespielt und war mit ihm auf Tour. Außerdem habe ich die Drums zum nächsten Album von Sheepish Wonder beigetragen und den zweiten Entwurf für einen Roman fertiggestellt. Ich neige dazu, mich selbst gut zu beschäftigen.
Anne: Arbeitest Du für Heavybird mit anderen Musiker⋆innen zusammen?
Evan: Früher habe ich das nicht gemacht. Ich hatte einen Freund, der meine Alben abgemischt hat. Für meine neueste Veröffentlichung mache ich das Mixing selbst, aber ich habe einen Bassisten, einen Violinisten und einen Cellisten, die alle wundervolle Dinge beigesteuert haben, die ich nie zu träumen gewagt hätte. Ich habe außerdem wirklich guten Input von einigen befreundeten Musiker⋆innen bekommen. Sie haben mir dabei geholfen, diese Songs auf ein neues Level zu heben.
Anne: Welche Künstler⋆innen inspirieren Dich am meisten? Wer hatte den größten Einfluss auf Deine Musik?
"Gute Musik inspiriert mich"
Evan: Hm, die Frage ist schwierig zu beantworten. Zunächst muss ich mal sagen, dass es eine Menge Freund⋆innen und befreundete Musiker⋆innen gibt, die ebenso großen Einfluss auf meine Musik hatten und haben wie berühmte Musiker⋆innen. Pistole auf die Brust: Meine größten Einflüsse sind The Beatles, The Beach Boys, July, The West Coast Pop Art Experimental Band, The Velvet Underground, Radiohead, Tame Impala, My Bloody Valentine, Autolux und The Clientele.
Ich habe vermutlich ein paar besonders große vergessen, aber es gibt einfach so viele Künstler⋆innen, die so viel zu bieten haben. Oft denke ich mir, es ist mehr dieser nicht offensichtlicher Stoff wie Leonard Cohen. Er ist eine große Inspiration für mich. Ihm waren die Lyrics immer so wichtig. Er war ein Poet. Manchmal sind es dann wieder die speziellen Sachen. Ich höre zum Beispiel eine interessante Song-Struktur oder einen Keyboard-Sound, den ich nachbilden möchte. Oder ich höre gute Musik und fühle mich inspiriert, obwohl das Genre überhaupt nichts mit mir zu tun hat. Zuletzt war ich ziemlich besessen von Susumu Yokota und Micachu & The Shapes. Egal, welchen Sound ich gerade mag, sie inspirieren mich einfach immer.
"Ich will wieder auf die Bühne"
Anne: Werden wir Dich irgendwann wieder auf der Bühne erleben?
Evan: Auf jeden Fall. Sobald es wieder Live-Shows gibt, möchte ich wieder auftreten. Obwohl ich nicht genau weiß, wie das sein wird. Vielleicht bin es nur ich, oder es wird eine komplette Band sein. Es könnten komplett heruntergefahrene Akustik-Konzerte sein oder extrem laute und große Gigs. Ich muss noch ein bisschen experimentieren.
Anne: Erzähl mir mehr über Dein Moondance Sound Healing Projekt.
Evan: Das ist sehr plötzlich und organisch entstanden. Ich habe mir eine Menge geführte Mediationen angehört und wollte selbst etwas machen, das den Menschen hilft, sich zu entspannen und Stress loszuwerden. Ein Stück habe ich mit einer schamanischen Trommel und eines mit einem Trance-induzierenden Synthesizer eingespielt. Ich plane, damit weiterzumachen aber ich lasse es auf natürliche Art geschehen. Im Moment konzentriere ich mich auf Heavybird.
"Alles, was ich tue, bildet einen Kontrast"
Anne: Du trittst ja auch zusammen mit Luis Mojica auf und hast die Drums und Percussion für sein aktuelles Album on drum "How A Stranger Is Made" für ihn aufgenommen. Das ist ein ziemlicher Kontrast zu Deinem Moondance Projekt, oder?
Evan: Ich mag den Gedanken, das alles, was ich tue, den Kontrast zu allem anderen bildet. Normalerweise beginne ich ein neues Projekt oder beteilige mich an einem neuen Projekt, weil es einen Teil von mir gibt, der aufgrund der Grenzen der Einheitlichkeit eines Projekts musikalisch nicht angesprochen wird. Ich liebe es mit Luis zu arbeiten, weil einer ein wunderbarer Mensch und ein großartiger Musiker ist. Es ist wirklich erfrischend für mich, die künstlerische Freiheit zu haben, die er mir gibt und trotzdem nicht die ganze Zeit der Steuermann zu sein, wie bei Heavybird.
Ich muss mich auch nicht mit dem geschäftlichen Ende der Dinge beschäftigen und kann es einfach nur genießen, ein Teil davon zu sein. Im Moment produziere ich gerade Luis nächstes Album, für das ich die Gitarren, das Schlagzeug und einige andere Instrumente aufgenommen habe. Es soll Anfang 2021 erscheinen. Es gefällt mir sehr, an Luis Musik zu arbeiten, weil sie sehr orchestral sein kann, aber auch sehr präsent. Ich spiele das Schlagzeug für ihn mit einer Art Präzision, die ich bei unkomplizierter Rockmusik nicht verwende. Es gibt eine Art theatralisches Flair, das man mit sehr viel Freude verkörpern kann.
"Ich habe noch mehr Projekte auf Lager"
Anne: Gibt es noch weitere Projekte, an denen Du arbeitest, die Du gerne im Besonderen erwähnen möchtest?
Evan: Neben Heavybird und der Zusammenarbeit mit Luis Mojica gibt es noch Soft Static, mein Ambient Projekt und Sheepish Wonder. Das ist mein Freund Matt Brady, der ziemlich großartigen Indie Folk Rock macht. Er bringt einige tolle Einflüsse aus beiden Welten mit. Seine Stücke sind Pop-orientiert und haben eine tolle Substanz. Ich habe noch eine Menge Projekte in der Hinterhand. Auf meiner Website1 poste ich alles aus dem Musiksektor.
Anne: Vielen Dank für Deine Zeit und für dieses Interview! Ich wünsche Dir alles Gute für das neue Album!
Evan: Danke Dir! Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich kann es kaum noch erwarten, dass alle das Album hören können!