Dimwind Gründer Jonas
"Wir müssen uns um diesen Planeten kümmern"
Dimwind haben vor Kurzem ihr grandioses Debüt-Album "Slow Wave Violence" veröffentlicht. Weil ich so von der Platte begeistert bin, habe ich mich kurzerhand mit Gründer Jonas zum Interview verabredet. Wir haben uns über das Album, das Klima und die Verbindung zwischen harter Musik und Veganismus unterhalten.
Anne: Hi Jonas, danke dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst! Gratulation zu Eurem fantastischen Debüt-Album "Slow Wave Violence"! Gefällt es Dir?
Jonas: Hi Anne, die Freude ist ganz meinerseits. Danke, dass Du das für uns machst. Ja, wir sind zufrieden mit dem Ergebnis unserer Arbeit. Es ist das erste Mal, das wir ein komplettes Studio-Album aufgenommen haben. Früher mit unseren anderen Bands haben wir nur Singles und Demos gemacht. Es war eine erfüllende Erfahrung, dieses Gesamtwerk zu erschaffen.
"Das Album aufzunehmen war eine erfüllende Erfahrung für uns"
Jonas und Andreas aka Dimwind. Bild/picture: Dimwind
Anne: Wie lang habt Ihr gebraucht, um es aufzunehmen? Musstet Ihr durch die Pandemie-Situation auch Remote arbeiten?
Jonas: Für uns gehen das Schreiben und der Aufnahmeprozess Hand in Hand. Wenn wir einen Song geschrieben haben, nehmen wir ihn auf und machen mit dem nächsten weiter. Wir haben vom ersten bis zum letzten Ton ungefähr 18 Monate gebraucht.
Unsere Arbeitsweise ist schon ziemlich Pandemie-sicher. Wenn die Drums und die Grundlage eines Songs aufgenommen ist, schreibt Andreas die Melodien und spielt in seinem Homestudio die Gitarre, den Bass und die Keyboards ein. Wir chatten dann so lange hin und her, bis die Details stimmen. Das führt natürlich auch mal dazu, dass etwas rausfliegt, das einem gut gefallen hat. Wir fluchen auch hin und wieder mal, aber am Ende haben wir einen Song, der unsere Vision, die wir davon im Proberaum hatten, widerspiegelt.
"Wir wollten mit instrumentaler Musik ein Narrativ erschaffen"
Anne: Was ist die Geschichte des Albums? Erzählt es eine? Der Titel klingt danach, als könnte es eine geben.
Jonas: Das war eine weitere Herausforderung für uns: ein Narrativ mit instrumentaler Musik zu erschaffen.
Aber ja – es gibt eine Geschichte. Wir werden sie nicht verraten oder darüber sprechen, aber das Artwork, der Titel und die Aufnahmen gehören fest zusammen. Jede⋆r kann seine ganz persönliche Interpretation davon haben, die sich von unserer unterscheiden kann. Wir finden das ziemlich spannend.
Anne: Die Platte lebt von ihren spontan wirkenden Wechseln. Das führt zu einem perfekt ausbalancierten Mix aus Licht und Finsternis. Ist das Leben so?
"Unsere Musik reflektiert das Leben"
Jonas: Ich denke schon. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das Leben reflektieren oder ihm entfliehen, wenn wir Musik machen. Wir versuchen, so dynamisch wie möglich zu sein, um diese Balance zu finden, die Du beschreibst. Wir mögen es ganz einfach so. Außerdem finden wir, dass das die Musik interessanter macht. Aber unsere Songs können nicht düster genug sein!
Anne: Du hast mir erzählt, dass Ihr mit Eurer Musik Grenzen übertreten wollt. Obwohl sie ziemlich in die Post-Metal Richtung geht, habt Ihr Euch auch hörbar von anderen Genres beeinflussen lassen. Mir gefällt das sehr gut. Wie kommt es, dass Musik meistens in irgendeine Art von Genre passen muss, um ein bestimmtes Publikum zu erreichen? Ich kann mir das für Musiker⋆innen ziemlich anstrengend vorstellen. Vor allem, wenn man so viele Arten von Musik liebt. Ich meine, mal ehrlich: Wir hören doch nicht alle nur Musik aus einem Genre, oder? Oder konsumieren die meisten Menschen Musik auf diese Art?
Jonas: Ich bin komplett Deiner Meinung. Der Beiname "Post" – sei es -Rock oder -Metal ist etwas, mit dem wir uns selbst beschreiben. Einfach in Ermangelung besser passender Genres. Wir möchten damit die Hörer⋆innen ansprechen, denen gefallen könnte, was wir machen.
Wir könnten es auch einfach "Heavy Music" nennen. Anstatt den richtigen Begriff zu finden, der zu unserem Ausdruck passt, passen wir uns nicht an, um in irgendeine Form zu passen. Aber es stimmt: Es scheint von essenzieller Wichtigkeit zu sein, Deinem Sound einer Marke zuzuordnen, um ein bestimmtes Publikum zu erreichen.
"Melancholie kann inspirierend sein"
Und zur Hölle, ja! Wir hören uns Musik aus den unterschiedlichsten Genres an. Obwohl wir beide mit allen Spielarten von Metal aufgewachsen sind, hat sich unser Input über die Jahre stark verbreitert.
Anne: Was inspiriert Euch, wenn Ihr neue Songs schreibt? Ist es andere Musik? Die Natur? Ein bestimmtes Gefühl?
Jonas: Ich denke, es ist unmöglich, sich nicht von anderer Musik beeinflussen zu lassen. Dein Bezugsrahmen konstruiert das, was Du konsumierst. In unserem Fall sind das alle Arten von Musik. Meistens nehmen wir einfach den letzten Song als eine Art Ausgangspunkt und haben Spaß dabei, damit zu arbeiten. Aber ein Gefühl von Melancholie und eine Art Bewegung ist immer das Rückgrat dieses Prozesses.
Anne: Würdest Du sagen, dass negative Gefühle Euch mehr antreiben, wenn Ihr einen Song schreibt? Oder sind es doch eher die positiven?
"Unser Schreibprozess beginnt immer mit Jammen"
Jonas und Andreas aka Dimwind. Bild/picture: Dimwind
Jonas: Ich würde nicht behaupten, dass uns die negativen Gefühle zum Schreiben bringen, aber vielleicht ist die Musik eine Art Ventil für uns. Ich denke, das trifft auf viele Musiker⋆innen wie uns zu. Abgesehen von der Stimmung, fangen wir meistens einfach an zu jammen und schauen, was passiert. Und wenn wir uns plötzlich ziemlich glücklich angriffen, wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Anne: Als ich meine Review zu "Slow Wave Violence" geschrieben habe, hast Du mir ein Bild von Dir und Andreas geschickt. Ihr sitzt darauf vor einem Sprint. Wo habt Ihr es aufgenommen? Es sieht ein bisschen aus, wie in einer Eishalle?
Jonas: Hehe, das ist ein unheimlicher Umkleideraum ganz in der Nähe von unserem Proberaum. Andreas hat sein eigenes Geschäft und wir haben unser Studio in dieser Umkleide aufgebaut. Sie befindet sich im Keller eines Gebäudes für Arbeiter⋆innen im öffentlichen Dienst. Hygiene scheint nicht unbedingt zu ihren obersten Prioritäten zu zählen. Du solltest mal die Toilette sehen! Wenn die Umgebung sich im Ergebnis unserer Arbeit widerspiegeln würde, würden wir vermutlich den krassesten Lo-Fi Black Metal machen, den Du jemals gehört hast!
Anne: Es hat ja auch eine Zeit vor Dimwind gegeben. Du hast vorhin schon kurz darüber gesprochen. Möchtest Du mir etwas über Eure früheren Projekte verraten?
Wir kennen uns seit 1998
Jonas: Andreas und ich sind uns 1998 das erste Mal über den Weg gelaufen und haben zu dieser Zeit in verschiedenen Death angehauchten Metal Bands gespielt. Die sind ja ziemlich typisch für diese Ära.
Um das Jahr 2005 haben wir angefangen einen etwas progressiveren, Post-Metal-artigeren Stil zu spielen. Wir haben uns damals den Namen Sizm gegeben. Wir haben Songs gemacht, die man nur auf MySpace hören konnte. Nach 2009 haben wir uns eine mehr oder weniger unfreiwillige Auszeit genommen. Unsere Kinder wurden geboren und es gab noch ein paar andere Dinge, um die wir uns kümmern mussten. Aber 2016 haben wir neuen Mut gefasst und Sizm mit einem Sänger wieder ins Leben gerufen. Wir sind nach wie vor aktiv und veröffentlichen gemeinsam Musik auf verschiedenen Plattformen – in einem sehr langsamen Rhythmus. Es ist tatsächlich der langsame Workflow, der zur Gründung von Dimwind geführt hat. Wir wollten einen größeren Teil unserer Freizeit mit der Musik verbringen, ohne Rücksicht auf die anderen Bandmitglieder nehmen zu müssen. Im Moment hat Dimwind für uns oberste Priorität.
Anne: OMG MySpace! Ich habe es so sehr geliebt. Wo ist nur die ganze Zeit geblieben?
Lass uns mal zu einem komplett anderen Thema kommen. Du hast mir erzählt, dass Du schon länger kein Fleisch mehr isst. Gratulation zu dieser Entscheidung. Was hat Dich überzeugt, keine Tiere mehr zu essen?
"Die meisten Menschen können etwas tun, um ihren Klima-Fußabdruck zu verkleinern"
Jonas: Also, mir ist das gleich als erstes eingefallen, als wir uns über die Themen unterhalten haben, die wir gemeinsam haben könnten. Deine Seite läuft ja schließlich unter dem Motto Rock 'n' Roll vegan!
Für mich war es eine ganz natürliche Entscheidung, als ich meine Frau vor 18 Jahren kennengelernt habe. Sie hat damals schon kein Fleisch mehr gegessen. Ich lebe nicht komplett vegan, aber ich esse kein Schweinefleisch, Rindfleisch und Huhn. Ich habe mich schon ein bisschen mit dieser Denkweise beschäftigt, also fühlte es sich für mich richtig an.
Wir müssen uns gemeinsam um diesen Planeten kümmern. Wenn jeder etwas dafür "opfern" kann, können wir unsere Chancen deutlich verbessern. Ich bin sicher, dass die meisten Menschen etwas tun können, um ihren Klima-Fußabdruck zu verbessern. Du weißt schon, so etwas wie den Fleischkonsum zumindest an ein oder zwei Tagen in der Woche einzuschränken, an ein paar Tagen das Fahrrad statt dem Auto zu nehmen, um zur Arbeit zu fahren oder andere aktive Entscheidungen zu treffen, um etwas zu verändern. Wir sollten wirklich dafür kämpfen, dass zumindest noch ein paar weitere Generationen die Erde bewohnen können.
Ja, ich weiß, dass der große Unterschied auf höherer politischer Ebene gemacht wird. Ich hoffe wirklich, dass bald signifikante Änderungen zum Besseren eintreten werden. Ich fürchte zwar, das wir sowieso am Arsch sind, aber einfach aufzugeben, würde sich noch schlimmer anfühlen.
"Die Menschen leben bewusster"
Anne: Warum gibt es nach wie vor nur so wenig Vegetarier⋆innen und Veganer⋆innen? Glaubst Du, dass sich das in den nächsten paar Jahren verändern wird?
Jonas: Trotz meines düsteren Ausblicks auf die Zukunft der Menschheit denke ich, dass die Menschen nach und nach immer bewusster leben. Man muss buchstäblich unter einem Felsen leben, wenn man die Botschaft noch nicht mitbekommen hat. Leider gibt es trotzdem noch eine Menge Menschen, die zu faul oder zu bequem sind, etwas zu verändern. Natürlich ist die Lebensmittelindustrie und die Tierhaltung nicht der alleinige Grund für den Klimawandel. Aber es würde einen massiven Einfluss haben, wenn Millionen Leute auf einen Schlag ihren Lebensstil verändern würden und die Politik endlich ihren Scheiß auf die Reihe kriegen würde.
Anne: Im Musik-Business gibt es immer mehr Leute, die sich irgendwann dazu entschieden haben, kein Fleisch mehr zu essen. Würdest Du sagen, dass es eine Verbindung zwischen Musik und Veganismus gibt?
Musiker⋆innen sind dem Veganismus gegenüber aufgeschlossen
Jonas: In den 1990er Jahren hat es bei uns in Schweden mit der Straight Edge Bewegung einen großen Trend gegeben, dem all die Hardcore und Punk Bands gefolgt sind. Zu der Zeit habe ich selbst nur die Musik absorbiert. Kein Fleisch zu essen, ist eine Art Rebellion. Also ja, ich denke, Musiker⋆innen stehen derartigen Entscheidungen sicher aufgeschlossen gegenüber.
Anne: Genug über Essen. Was steht für Dimwind als Nächstes auf dem Plan? Habt Ihr laufende Projekte? Wird es vielleicht bald eine Tour geben?
Jonas: Unser immerwährender Plan ist es, nie aufzuhören neue Musik zu schreiben. Wir werden daher vermutlich niemals auf Tour gehen – wir brennen einfach mehr für den kreativen Prozess. Wir haben einige wirklich spannende Pläne für eine baldige Zusammenarbeit mit einem⋆r weiteren Künstler⋆in. Aber es steckt noch in den Kinderschuhen, also will ich nicht zu viel verraten. Wenn alles gut läuft, wird die nächste Dimwind Veröffentlichung mit Gesang sein. Wo wir gerade dabei sind: Ist das nicht etwas zu genreübergreifend für einen instrumentalen Act (lacht)?
Anne: Vielen Dank für dieses überaus sympathische Interview!
Jonas: Vielen Dank für dieses Interview, Anne, es hat Spaß gemacht, sich mit Dir zu unterhalten!
Hier findet Ihr meine Review zum Dimwind Debüt-Album "Slow Wave Violence".